In vielen Alpenregionen sagt man: „A richtiger Speck braucht an Himmel.“ Gemeint ist damit nicht der Himmel im religiösen Sinne, sondern die feine weiße Schimmelschicht, die wie eine Wolke auf der Oberfläche liegt. Was für Außenstehende vielleicht erst abschreckend wirkt, ist in Wahrheit oft ein Zeichen höchster Qualität und traditioneller Reifung.
Was ist der weiße „Himmel“ auf Speck?
Bei luftgetrocknetem, geräucherten oder fermentierten Speck bildet sich während der Reifezeit häufig eine weiß-graue Schimmelschicht. Diese entsteht durch natürliche Mikroorganismen aus der Umgebungsluft. Meist handelt es sich um Edelschimmel der Gattung Penicillium. In kontrollierter Umgebung wächst dieser über die Oberfläche und erinnert in Aussehen und Struktur an eine zarte Wolke, eben den „Himmel“.
Traditionelle Reifung braucht Zeit, und das richtige Klima
Hochwertiger Speck wird nicht schnell produziert, sondern reift über Monate in kühlen, luftigen Kammern und Kellern, oft mit hoher Luftfeuchtigkeit. Genau diese Bedingungen fördern das Wachstum des Schimmels, der nicht nur ein Nebenprodukt ist, sondern eine zentrale Rolle bei der Reifung spielt:
- Er fördert durch enzymatische Prozesse die Aromabildung
- Er verleiht dem Speck ein typisches, würziges Reifeprofil
Schimmelbildung hängt stark von der Luft ab
Ob und wie sich dieser „Himmel“ bildet, hängt maßgeblich von der Luftfeuchtigkeit der Umgebung ab. Und diese ist in den Tiroler Bergen je nach Jahreszeit sehr unterschiedlich:
- Im Winter ist die Bergluft meist sehr trocken: Das ist zwar gut für die langsame Trocknung des Specks, aber ungünstig für die Schimmelbildung, da der Pilz Feuchtigkeit braucht, um zu wachsen.
- Im Sommer oder in feuchteren Reifekellern hingegen entsteht Schimmel häufiger und schneller: Was den Reifeprozess in Richtung „Himmel“ begünstigt.
Deshalb sieht man in traditionellen Speckkammern oft erst nach mehreren Monaten – und je nach Jahreszeit unterschiedlich stark – den typischen weißen Belag auf der Oberfläche.
Ein Zeichen von Qualität, nicht von Verderb
Anders als man vermuten könnte, ist dieser weiße Belag kein Zeichen von Verderb, sondern vielmehr ein Hinweis auf Handwerkskunst. Industriell hergestellter Speck, der rasch gepökelt und vakuumverpackt wird, hat diesen „Himmel“ in der Regel nicht. Der Edelschimmel ist daher oft ein Indikator für traditionelle Herstellungsmethoden und für ein Produkt, das mit Zeit, Geduld und Erfahrung gefertigt wurde.
Woran erkennt man „guten“ Schimmel auf Speck?
Nicht jeder weiße Belag ist automatisch erwünscht. Deshalb lohnt sich ein Blick auf die Merkmale:
Merkmal | Qualitäts-Schimmel (der „Himmel“) | Unerwünschter Schimmel |
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Farbe | Weiß bis leicht grau | Grünlich, gelblich, dunkel |
Oberfläche | Fein, pudrig, trocken | Pelzig, schleimig, dick |
Geruch | Mild, leicht pilzig, angenehm | Muffig, stechend oder faulig |
Was tun mit dem Schimmel und mit der Gewürzkruste?
Bevor der Speck geschnitten oder serviert wird, wird der Schimmel meist vorsichtig abgerieben oder mit einem Tuch und etwas Essigwasser entfernt. Er ist nicht gesundheitsschädlich, wird aber aus optischen oder geschmacklichen Gründen entfernt. Die Qualität bleibt jedoch im Inneren erhalten.
Auch die oft dicke Gewürzkruste, die bei vielen Specksorten außen aufgetragen wird (z. B. aus Gewürzen und Knoblauch), sollte vor dem Verzehr entfernt werden. Beim Lagern härtet sie aus und kann beim Schneiden und Kauen zu hart oder geschmacklich zu dominant sein. Man schneidet sie einfach dünn mit dem Messer ab. Darunter befindet sich der zarte, vollreife Speckgenuss!
Fazit: Der Himmel kann auf himmlischen Genuss deuten
Der weiße Schimmel auf traditionell hergestelltem Speck ist kein Makel, sondern Teil eines natürlichen Reifeprozesses, der Geschmack, Haltbarkeit und Charakter formt. Wer einen solchen Speck verkostet, schmeckt nicht nur das Fleisch, sondern auch die Zeit, das Handwerk und die alpine Kultur, die darin steckt.
Herzlichen Dank an Cilli für die Anregung zu diesem Artikel!
